Titel
Faith and the Presidency. From George Washington to George W. Bush


Autor(en)
Smith, Gary Scott
Erschienen
Anzahl Seiten
680 S.
Preis
€ 21,97
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Uta Andrea Balbier, Deutsches Historisches Institut, Washington DC

Die Verbindungen zwischen Religion und amerikanischer Präsidentschaft rufen in Europa häufig Assoziationen an die quasi-sakrale Verehrung der amerikanischen Nation, an den Streit um das tägliche Schulgebet in den USA und das extrovertierte religiöse Bekenntnis eines Jimmy Carter, Ronald Reagan oder George W. Bush hervor. Die vielschichtige und beeindruckende Studie Gary Scott Smiths zu dem Verhältnis elf amerikanischer Präsidenten zu Glaube und politischer Macht analysiert dieses Spannungsfeld zwischen Zivilreligion, persönlicher Religiosität und dem ersten Verfassungszusatz, der eine klare Trennung von Staat und Kirche festschreibt. Der Autor stützt sich auf die bereits vorliegenden Biographien der Präsidenten und eine Vielzahl von Studien zur amerikanischen Religionsentwicklung und Zivilreligion. Er lässt aber auch die Präsidenten selbst zu Wort kommen – mit Zitaten aus ihren Reden, Schriften und ihrer persönlichen Korrespondenz. Diese Selbstportraits ergänzt er durch Aussagen von ihren Zeit- und Weggenossen, die er aus der Presse und den religiösen Fachzeitschriften gewinnt. Durch diese Materialfülle gelingt es ihm, ein ausgewogenes Bild zu zeichnen, das ohne eigene Wertungen und Stereotype auskommt.

Smith hat für seine Studie elf Präsidenten ausgewählt. Die Glaubensbiographien von George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln, Theodore Roosevelt, Woodrow Wilson, Franklin D. Roosevelt, Dwight D. Eisenhower, John F. Kennedy, Jimmy Carter, Ronald Reagan und George W. Bush analysiert er anhand von fünf Themenkomplexen: ihre persönliche Glaubensführung, ihre Haltung zur Trennung von Kirche und Staat, ihr Verhältnis zur amerikanischen Zivilreligion, ihr persönlicher Glaube an einen religiös begründeten Sendungsauftrag der USA und die charakterliche Prägung der Präsidenten durch ihren Glauben. Er versucht so, Aufschluss darüber zu gewinnen, welche Rolle Glauben und Religion in den jeweiligen Administrationen und ihren innen- und außenpolitischen Entscheidungen gespielt haben.

Smiths Leistung bei der Beschreibung der persönlichen Glaubensführung der Präsidenten – seinem ersten Analysekomplex – ist bestechend. Hier spürt er nicht nur den religiösen Vorbildern aus der Kindheit der Präsidenten nach, sondern auch deren praktischer Glaubensausübung in Gebet, Kirchgang und Bibelstudium. Smith arbeitet dabei gezielt Widersprüchlichkeiten heraus und macht so die Sperrigkeit und intellektuelle Herausforderung des persönlichen Glaubens sichtbar. So ging George Washington zwar zur Kirche, nahm aber nicht an der Kommunion teil, da er sich derer nicht würdig empfand. Der intellektuelle Zweifler Thomas Jefferson las die Bibel zwar regelmäßig und verfasste selbst Schriften zum Leben Jesu Christi, glaubte jedoch nicht an dessen Göttlichkeit. Dwight Eisenhower suchte den persönlichen Beistand religiöser Glaubensführer, sprach aber dafür fast nie über fundamentale christliche Überzeugungen (das Leben nach dem Tod, Sühne oder die Göttlichkeit Jesu Christi). Ronald Reagan, einer der öffentlichsten gläubigen Christen an der Spitze der USA, stellte nach seinem Amtsantritt den Kirchgang ein. Das Bild, das Smith zeichnen kann, gibt den Präsidenten ihre Menschlichkeit im Glauben zurück, entlarvt aber auch politisch motivierte Heuchelei.

Ebenso facettenreich und ambivalent, wie die Präsidenten ihren persönlichen Glauben lebten, war auch ihr Verhältnis zur Trennung von Staat und Kirche. Hier erstaunt es, dass gerade tief religiöse Präsidenten wie Theodor Roosevelt und Jimmy Carter vehement für eine Trennung von Staat und Kirche eintraten und somit im 20. Jahrhundert das geistige Erbe von Washington und Jefferson fortführten. Diese Tradition scheint in den Amtszeiten von Ronald Reagan und George W. Bush durch den neuen politischen Faktor der Religiösen Rechten zu verwässern. Reagan erklärte Religion und Politik dezidiert als untrennbar. Sein Kampf gegen Abtreibung und für ein tägliches Schulgebet interpretiert Smith daher als Ausdruck des politischen Kampfs gegen die Säkularisierung.

In einem ständigen Widerspruch zur Trennung von Staat und Kirche scheint die amerikanische Zivilreligion – der dritte Themenkomplex – zu stehen. Sie verband von Beginn an politischen Patriotismus mit religiöser Rhetorik. Schon Washington knüpfte aktiv an dem Band zwischen Patriotismus und Frömmigkeit, indem er wiederholt auf die göttliche Auserwähltheit der USA verwies. Er wurde selbst als amerikanischer Moses verehrt und somit Teil der Zivilreligion. Den Präsidenten des 20. Jahrhunderts fiel nur noch die Verwaltung dieser Tradition zu. Smith zeichnet nach, wie gerade der wenig religiöse Kennedy zum exaltierten Hohepriester des zivilreligiösen Credos aufstieg, indem er in seinen Reden immer wieder auf religiöse Motive und Rhetorik zurückgriff. Der tief gläubige Carter hingegen blieb in dieser Rolle blass. Hier zeigt Smith überzeugend, wie scharf die Trennung zwischen tatsächlicher christlicher Glaubensüberzeugung und öffentlichen quasi-religiösen Bekenntnissen zur amerikanischen Nation und ihrem göttlichen Sendungsauftrag gezogen werden muss.

Obwohl – so sein viertes Thema – alle Präsidenten an die göttliche Erwähltheit der USA glaubten, zeigt sich deutlich, wie sich der Politisierungsgrad dieser Überzeugung im Laufe der Jahrhunderte wandelte. Erst Woodrow Wilson widmete Anfang des 20. Jahrhunderts die religiöse Auserwähltheit der USA zum außenpolitischen Sendungsauftrag um. Demnach hatte die USA die göttliche Mission, international gegen Unterdrückung und für Demokratie zu kämpfen. Diese Verknüpfung von außenpolitischer Mission und christlichen Glaubenssätzen zog sich danach wie ein roter Faden durch den Kampf Roosevelts gegen das „Dritte Reich“ sowie durch die Rhetorik Eisenhowers und Reagans im Kalten Krieg. Sie spiegelt sich nicht zuletzt in George W. Bushs Konstruktion der so genannten „Achse des Bösen“.

Smith analysiert in seinem fünften Themenkomplex, wie der Glaube der Präsidenten deren Charakter, Entscheidungen und politische Philosophie geprägt hat. Auch hier hebt er die Widersprüche gezielt hervor. Jefferson erklärte die christliche Moral zum Grundstein der jungen Republik, scheiterte in seinen außerehelichen Verhältnissen doch genau an dieser. Auch Washington, Wilson, Franklin D. Roosevelt, Eisenhower und Kennedy verstießen in ihrem Privatleben gegen die christlichen Prinzipien von Treue und Enthaltsamkeit. Ronald Reagan und George W. Bush sind Beispiele dafür, dass die Achtung vor der göttlichen Schöpfung nicht gleichzeitig zu einer fortschrittlichen Umweltpolitik führen muss. Zugleich nimmt Smith den Glauben seiner Präsidenten ernst und zeigt überzeugend, wie sich Theodor Roosevelts und Jimmy Carters Engagement für den Naturschutz aus ihren religiösen Überzeugungen ableiten lässt. Auch Lincolns Kampf gegen die Sklaverei und Kennedys Engagement für die Bürgerrechte diskutiert er vor deren christlichem Hintergrund. Allerdings könnte man gegen diese Interpretation halten, dass vieles von dem, was diese Präsidenten öffentlich christlich begründeten, auch einem überzeugten Humanismus ohne transzendentalen Bezug hätte entspringen können.

Smith führt seine Leser und Leserinnen auf einem Parforceritt durch mehr als zwei Jahrhunderte amerikanischer Politik- und Religionsgeschichte. Sein strenger Bezug auf die Biographien der Präsidenten lässt ihn übergeordnete Forschungsfragen dabei nur anreißen. Er beschreibt die zunehmende Öffentlichkeit präsidialer Religiosität im 20. Jahrhundert daher, ohne sie in den Kontext einer fortschreitenden Medialisierung und populärkulturellen Inszenierung von Religion – wie sie sich mit dem Namen Billy Graham verbindet – zu stellen. Auch das Unverständnis, mit dem die amerikanische Nation auf den unbequemen, fast pietistischen Carter reagierte, bettet er nur andeutungsweise in den Zusammenhang einer fortschreitenden Säkularisierung der amerikanischen Gesellschaft ein. Solche und viele weitere Fragen stößt Smiths Studie aber ausdrücklich an. Sie schließt daher nicht nur die Forschungslücke einer Gesamtdarstellung zur Religiosität amerikanischer Präsidenten, sondern öffnet vielmehr das dynamische Forschungsfeld zwischen Religion und Zivilreligion neu.

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